Die nächsten Angehörigen können durch Testament enterbt werden. Es ist jedoch seit jeher als ungerecht empfunden worden, wenn in einem Erbfall der überlebende Ehepartner, die Kinder und Kindeskinder oder die Eltern, wenn diese ohne die testamentarische Verfügung gesetzliche Erben geworden wären, gar nichts erhalten. Deshalb sichert der Gesetzgeber diesem eng begrenzten Personenkreis den sogenannten Pflichtteil zu. Die Pflichtteilsberechtigten haben gegen den oder die testamentarisch eingesetzten Erben einen Anspruch auf Geldzahlung in Höhe der Hälfte des Wertes des gesetzlichen Erbteils.
Beispiel: Die Erblasserin hinterlässt ihren Ehemann, mit dem sie im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft lebte, sowie eine Tochter. Die Erblasserin setzt ihren Ehemann testamentarisch als Alleinerben ein. Der Nachlasswert beträgt EUR 100.000,00.
Die Pflichtteilsquote der Tochter beträgt 1/4 (neben dem Ehemann, der mit der Erblasserin im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft lebte, beträgt der gesetzliche Erbteil der Tochter 1/2). Um die Höhe des Geldanspruchs zu bestimmen, muss die Pflichtteilsquote mit dem Wert des Nachlasses zum Zeitpunkt des Erbfalls multipliziert werden. Die Tochter kann gegen den Ehemann somit einen Pflichtteilsanspruch in Höhe von EUR 25.000,00 (1/4 x 100.000,00) geltend machen.
Den Pflichtteilsanspruch kann der Erblasser auch dadurch nicht vereiteln, dass er die Pflichtteilsberechtigten zwar in seinem Testament bedenkt, aber auf weniger als die Hälfte ihres gesetzlichen Erbteils einsetzt. In diesem Fall hat der Pflichtteilsberechtigte einen Anspruch auf einen Zusatzpflichtteil bis zur Höhe der Hälfte des Wertes des gesetzlichen Erbteils.
Beispiel: Der Erblasser setzt seine Ehefrau, mit der er im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft lebte, zu 7/8 und seine Tochter zu 1/8 testamentarisch als Erben ein. Der Nachlasswert beträgt EUR 800.000,00.
Die Pflichtteilsquote der Tochter beträgt 1/4 (= EUR 200.000,00). Da sie aber bereits testamentarisch mit EUR 100.000,00 (1/8 von 800.000,00) bedacht ist, hat sie einen Anspruch auf einen Zusatzpflichtteil in Höhe des fehlenden Wertes (EUR 100.000,00).
Bitte beachten Sie die Frist: Pflichtteilsansprüche sind innerhalb von drei Jahren von dem Zeitpunkt an, inwelchem die Pflichtteilsberechtigten von dem Eintritt des Erbfalls und von der sie beeinträchtigenden Verfügung Kenntnis erlangt haben, geltend zu machen, da sie andernfalls verjähren.